Der Oldenburger Ehrenbürger Bernhard Winter war völkischer Antisemit, Rassist, Anhänger der Nationalsozialisten und profitierte vom NS-Regime. Auf den Seiten der Stadt erfährt man dazu nichts.
Bernhard Winter ist Anfang des 20. Jahrhunderts der bedeutendste Künstler im Oldenburger Land. Der führende Kopf der Heimatbewegung wird vor allem durch seine Darstellungen des bäuerlichen Lebens bekannt, in denen er den „ewigen Volkscharakter“ bewahren will.1 Hier zeigt er schon lange vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten seine völkische Gesinnung, die er 1913 in der Heimatkunde des Herzogtums Oldenburg verbreitet:
„Aus Arbeit, Feiern und Ruhe wachsen die Sitten […] der Völker und Rassen heraus. Wie nun jedem in seiner Rasse ausgeglichenen Volke seine besonderen körperlichen Anlagen und Eigenschaften angeboren sind, so sind auch die aus seiner Natur herausgewachsenen und für die Selbsterhaltung wichtigen Sitten und Gebräuche verschieden, so daß überall, wo rassenungleiche Völker zusammentreffen, eine langsamere oder schnellere Verderbnis der ungleichen Sitten und Gebräuche eintritt […]. Das ist jedoch am wenigsten bei Völkern unentarteter Rasse zu erwarten. Bei ihnen wird die Eindeichung und Pflege ihrer Sitten und Gebräuche durch einen gesunden Rasseinstinkt vorgenommen […].“2
„Der geschorene, zuckende Volkskörper“3 befindet sich laut Winter im gesundheitlichen Verfall. Die Moderne sei „für Lebensweise, Geist und Körper […] der Rasse tief verderblich“.4
Über Juden schreibt Winter, dass
„auch der mittelbare Einfluß des jüdischen Volkes, besonders in Handels- und Verkehrssitten, Reklame und dergl., erwähnt werden muß. Dieses hat dadurch einen großen wirtschaftlichen Vorsprung erreicht […], indem es sich seit alten Zeiten rassenrein erhält, und daß es sich zugleich hütet vor der Betäubung durch den Alkohol, der auf die […] Germanen den unheilvollsten Einfluß hat.“5
Bernhard Winter ist schon sieben Jahre bevor die NSDAP überhaupt gegründet wird ideologisch gefestigt.
Während dem Ersten Weltkrieg ist Winter kriegsbegeistert. Er entwirft mehrere Nagelbilder und Propaganda-Gemälde, die die „Heimatfront“ mobilisieren sollen und sich auf völkisches Gedankengut stützen.6 In dem Bild Sprung auf! Marsch! Marsch! will er „das rassische Erscheinungsbild des Soldaten unserer Heimat darstellen“, wie später ein Nazi-Funktionär lobt.7
Nach dem verlorenen Krieg identifiziert Winter sich mit Erich Ludendorffs rechtsextremen Tannenbergbund, später Bund für Deutsche Gotterkenntnis.8 1921 ehrt er Ludendorff mit einem Gemälde.9 Der Demokratiefeind hatte sich im vorigen Jahr am Kapp-Putsch beteiligt und plant zwei Jahre später zusammen mit Hitler einen weiteren Staatsstreich.
Aus der selben Zeit stammt ein Christus-Portrait Winters, das er mit antisemitischer Hetze ausschmückt. Er spricht von der „zersetzende[n] Tätigkeit“ der Juden, die „mit List und Gewalt […] Nichtjuden zur Unfähigkeit klaren Denkens […] dressierten“ und angeblich „die natürliche volkliche Widerstandskraft“ brechen wollten.10
Er schließt sich der Deutschen Kunstgesellschaft an, deren Programm mit folgenden Worten beginnt:
„Die durch den Nationalsozialismus zur allgemeinen Erkenntnis gebrachte Tatsache, dass das an Blut und Boden gebundene Volkstum der Träger unseres geistigen und damit auch unseres künstlerischen Lebens ist […].“
Ihr Ziel ist „das reine Deutschtum in der bildenden Kunst wieder aufzurichten“ und „Kunst um des Volkes […] willen“ zu schaffen. Die Gesellschaft sieht sich als „Kampffront“ gegen eine „allgemeine Sinnesverwirrung“ durch „das Eindringen wesensfremden Rassetums“. Winter bewahrt das Programm samt Dankesschreiben zum Eintritt bis zu seinem Tod auf.11
Karriere im NS-Regime
Als dessen Vorsitzender zeigt Winter 1933 seine „besondere Freude“ über den Umstand, „daß der Oldenburger Künstlerbund stets […] den Kampf gegen das Undeutsche und Fremde geführt habe“.12
Im selben Jahr malt Winter ein Ganzkörper-Portrait von Gauleiter Carl Röver.13 1934 bittet Winter ihn, einige seiner Bilder zu kaufen und schreibt:
„Mein Werk möge Ihnen bezeugen, was uns ältere schon immer bewegte, dass auch unter uns Vorarbeiter waren: Ihr Leitgedanke, der längst alle Benebelung durch Fremdtum durchbrach, hieß: Sei zuerst deutsch und stütze edles Volkstum, wo du es findest.“14
Gauleiter, Ministerpräsident und NSDAP kaufen tatsächlich mehrere von Winters Gemälden.15 In Winters eigenen Augen war sein künstlerisches Schaffen bis 1933 ein „Vorläufer völkischer Kunst der NS-Zeit“.16 Er spricht im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus von „unsere[r] deutsch[en] Bewegung“17 und habe in seinen Bildern „stets […] den nordischen Menschen gesucht“.18
1934 bemalt Winter mehrere Wände der Kirche in Berne, die zu einer „Stedinger Gedenkhalle“ werden soll. Unter einem der Gemälde prangt ein Hitler-Zitat, in einem anderen Bild feiert Winter die Einführung des Reichserbhofgestzes.19
Winter selbst sagt:
„Ich glaube, daß die Gedenkhalle im Einklang steht mit dem tiefen deutschen Artglauben, wie ich ihn bei Rosenberg vertreten finde.“20
Er meint offensichtlich Alfred Rosenberg, den Chef-Ideologen der Nationalsozialisten.
Als das Oldenburgische Staatsministerium 1936 einen Auftrag zur Bemalung des Landtagsaals ausschreibt, bewirbt Winter sich mit einem eigenen Entwurf. Er soll eine „von Fremdtum frei[e] Volksordnung“ zeigen und „rassisch“ zu begreifen sein. Die Bilder sollen „Führer“, „Wehrmänner“, den sogenannten „ewigen Juden“ und eine Hakenkreuzfahne beinhalten.21
Winter profitiert von der staatlichen Förderung der Heimatkunst in der NS-Zeit, die er als „ein Bollwerk […] gegen artfremde Einflüsse“ sieht.22 Er wird von den Nationalsozialisten „heiß umworben“,23 „gefördert und geehrt“.24 Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs bricht sein Auftragsbuch ein, er „erhielt jedoch Unterstützung durch Staat, Stadt und Partei, die Bilder in Auftrag gaben, Aufträge vermittelten oder gar Gemälde ankauften.“25
1941 verleiht der Ministerpräsident Oldenburgs Winter „im Auftrage des Führers“ die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. 1943 erhält Winter den Gaukulturpreis Weser-Ems und 1944 schafft er es auf die vom Reichspropagandaministerium zusammengestellte Gottbegnadeten-Liste.26 Mit dem Bild Das letzte Aufgebot betreibt Winter noch kurz vor der sicheren Niederlage 1945 Kriegspropaganda für die Nazis.27
1961 beschließt die Stadt Oldenburg, diesem Mann die Ehrenbürger-Würde zu verleihen. Vier Jahre später benennt sie eine Straße nach ihm.
Was schreibt die Stadt?
Die Stadt widmet jedem Ehrenbürger eine eigene Seite mit kurzem Lebenslauf. Bei Winter findet sich zu seiner Nazi-Vergangenheit nichts. Stattdessen schwärmt die Stadt, dass Winters „große zeichnerische Begabung“ schon als Schüler zutage getreten sei und zitiert aus seiner Ehrenbürger-Urkunde: „Seine besondere Liebe galt der Kultur, den Sitten und Gebräuchen seiner engeren Heimat, die er in mühevoller Arbeit erforschte und in seinen Bildern darstellte“. So kann man Winters völkische Gesinnung auch beschreiben. Die Stadt erklärt, dass Winter an seinem 70. Geburtstag die „Goethemedaille“ verliehen wurde. Dass er die Medaille 1941 im Auftrage Hitlers erhielt, erfährt man nicht.
Eine zweite Kurzbiografie auf der Seite der städtischen Bernhard-Winter-Stiftung ist nicht viel aufschlussreicher. Sie wurde vollständig aus dem Biographischen Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg kopiert und endet mysteriöserweise vor 1933. Eine Stelle des Handbuchs, die Winters Überlegungen zu „gesund[er] Kunst“ beschreibt, unterschlägt die Stadt.
Kein Geheimnis
Dabei ist Winters Vergangenheit allgemein bekannt. Seine eigenen Schriften zu Volk und Rasse sind 1913 erschienen, eine Laudatio zur Verleihung der Goethe-Medaille ist seit 1941 öffentlich. Beide kann man bequem auf der Seite der Landesbibliothek aufrufen.
Wissenschaftlich wurde Winters Rolle im NS-Regime spätestens in den 80ern belegt und Ewald Gäßler, ehemaliger Direktor des Stadtmuseums, urteilte vor über 20 Jahren, „daß sich Bernhard Winter […] zwischen 1933 und 1945 tief in völkische Ideologien verstrickte und ihnen auch bildhaft Ausdruck verlieh“.28
Vor zehn Jahren gab die Stadt selbst im Zuge der „Straßennamendebatte“ eine Studie in Auftrag, die zu dem gleichen Ergebnis kam.
Auf Anfrage erklärt der Pressesprecher der Stadt, dass die beiden Texte einer „Überarbeitung beziehungsweise einer Ergänzung“ bedürften. Das befinde sich in Arbeit.
Oldenburg und die Ehrenbürger
Als Ehrenbürger von Oldenburg steht der Antisemit Bernhard Winter in einer Reihe mit Leo Trepp, bis 1938 Rabbiner der jüdischen Gemeinde Oldenburg und nur knapp dem KZ entkommen. Muss das wirklich sein?
Schnell wird sich daran wohl nichts ändern, die Stadt hängt an ihren Ehrenbürgern. Hitlers Steigbügelhalter Paul von Hindenburg und dem Nazi-Funktionär August Hinrichs hat der Rat die Ehrenbürgerschaften erst nach einer über drei Jahre dauernden Vergangenheitsdebatte aberkannt. Bei Hinrichs war es bereits der vierte Anlauf.
Die CDU lehnte damals die Aberkennung der beiden Ehrenbürgerschaften ab. Petra Averbeck, Stellvertreterin des Oberbürgermeisters, erklärte, Hindenburg sei als Kommandeur der Oldenburger Infanterie und nicht als Reichspräsident geehrt worden. Da die vorherigen Versuche Hinrichs die Ehrenbürgerschaft zu entziehen gescheitert waren, sah sie keinen Grund dieses Mal für die Aberkennung zu stimmen. Außerdem würde die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod ohnehin erlöschen.
Die FDP stimmte ebenfalls gegen den Antrag. Ratsmitglied Hans-Richard Schwartz sagte, die Ehrungen seien Spiegelbilder der Geschichte und man müsse sich besser mit den Lebensläufen der beiden auseinandersetzen.
Auch Oberbürgermeister Jürgen Krogmann und Teile der SPD waren gegen den Entzug der Ehrenbürgerschaften. Bei NSDAP-Mitglied Hinrichs stimmte Krogmann gegen die Aberkennung. Bei Paul von Hindenburg, der Hitler zum Reichskanzler ernannte, war er unschlüssig und enthielt sich.29
Der Pressesprecher der Stadt schreibt: „Bernhard Winters Verstrickung mit dem NS-Regime schien […] offenbar als nicht so bedeutend und gravierend angesehen worden zu sein, als dass sich daraus […] die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft […], ergeben hätte.“
Er wurde damals wohl übersehen, auch die Straße gibt es immer noch. Vielleicht wäre es an der Zeit, das zu ändern. ◯
- Gäßler, 1988, S. 152. ↩︎
- Winter: Feste, Sitten und Gebräuche unserer Heimat, 1913, S. 391. ↗ ↩︎
- Bernhard Winter: Unserer alte Volkstracht, in: Oldenburgischer Landeslehrerverein (Hrsg.): Heimatkunde des Herzogtums Oldenburg, 1913, S. 359. ↗ ↩︎
- Winter: Feste, Sitten und Gebräuche unserer Heimat, 1913, S. 396. ↗ ↩︎
- Winter: Feste, Sitten und Gebräuche unserer Heimat, 1913, S. 391. ↗ ↩︎
- Gäßler, 2002, S. 161. ↩︎
- Hans M. Fricke: Das Lebenswerk des Malers Bernhard Winter, in: Oldenburger Jahrbuch, 1941, S. 240. ↗ ↩︎
- Gäßler, 2002, S. 163. ↩︎
- Fricke, 1941, S. 239. ↗ ↩︎
- Bernhard Winter, Germanisch-jüdisches süßliches Christusbild mit sugestivem Ausdruck Ende des 19. Jahrhunderts, Öl/Lwd., o.J. (um 1920?), zitiert nach Gäßler, 2002, S.155 ↩︎
- Programm mit einem schriftlichen Dank an das neue Mitglied im Nachlass Bernhard Winter, Stadtmuseum Oldenburg, zitiert nach Gäßler, 2002, S. 164. ↩︎
- Protokoll der OKB-Hauptversammlung, Oldenburg, 13.5.1933, zitiert nach Kastler, 1988, S. 198. ↩︎
- José Kastler: Heimatmalerei, 1988, S. 163–165. ↩︎
- Bernhard Winter: Schreiben an Carl Röver, 06.06.1934, Staatsarchiv Oldenburg, Bestand 134/4380 zu Nr. 2. zitiert nach Kastler, 1988, S. 169. ↩︎
- Fricke, 1941, S. 239–240. ↗ ↩︎
- Gäßler, 2002, S. 171. ↩︎
- Bernhard Winter: Unterstützung einer Eingabe des OKB, 21.03.1935, Staatsarchiv Oldenburg, Bestand 134/4396, Nr. 75/1, zitiert nach Kastler, 1988, S. 168. ↩︎
- Winter an Rust, 5.7.1936, Bundesarchiv Berlin, RK G0094, zitiert nach Reeken/Thießen, 2013, S. 258. ↗ ↩︎
- Dietmar von Reeken/Malte Thießen: Wissenschaftliche Untersuchung der Straßennamen der Stadt Oldenburg, 2013, S. 259. ↗ ↩︎
- Bernhard Winter: Schreiben vom 06.06.1934 an Carl Röver, Staatsarchiv Oldenburg, Bestand 134/4380, zu Nr. 2, zitiert nach Kastler, 1988, S. 195. ↩︎
- Nachlass Bernhard Winter, Stadtmuseum, zitiert nach Gäßler, 2002, S. 165–166. ↩︎
- Bernhard Winter an R. tom Dieck, Februar 1937, OKB-Nachlass, zitiert nach Kastler, 1988, S. 160. ↩︎
- Gäßler, 2002, S. 169. ↩︎
- Reeken/Thießen, 2013, S. 259. ↗ ↩︎
- Gäßler, 2002, S. 170. ↩︎
- Bundesarchiv Berlin, R 55/20252a, Bl. 1–39, Gottbegnadeten-Liste aus dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda aus dem August 1944. ↗ ↩︎
- Reeken/Thießen, 2013, S.260. ↗ ↩︎
- Gäßler, 2002, S. 171. ↩︎
- Anja Michaeli: Hindenburg und Hinrichs. Ehrenbürgerschaften aberkannt, in: Oldenburger Onlinezeitung, 29.09.2015. ↗ ↩︎