Im Gutachten zur NS-Propagandistin Edith Ruß fehlt ein Drittel ihrer Artikel. Hier ist die Liste.
Für die unten stehende Auflistung wurden über zwei Wochen lang 1.127 Zeitungsausgaben mit insgesamt 6.976 Seiten vollständig, zur Kontrolle doppelt, durchgesehen. Es wurden 182 Artikel gefunden, die eindeutig Edith Ruß zuzuschreiben sind. Das Gutachten geht von nur 126 Artikeln aus. Es fehlt mit 56 Artikeln knapp ein Drittel. Wegen der Menge an gesichtetem Material, kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Artikel von Ruß übersehen wurden. Die Zeitungen sind, bis auf Hella, digitalisiert und die entsprechenden Artikel in der Liste direkt verlinkt.
Die Historiker:innen Mareike Witkowski und Joachim Tautz behaupten, sie hätten die Zeitungen, für die Ruß gearbeitet hat, „vollständig eingesehen“. Auf Nachfrage stellt Witkowski klar: „[F]ür die Suche der Artikel habe ich die Suchfunktion der Landesbibliothek genutzt und die entsprechend möglichen Kürzel für Edith Ruß als Suchbegriffe verwendet.“
Diese Methode ist offensichtlich fehleranfällig, da die Suchfunktion die digitalisierte und zum Großteil in Fraktur geschriebene Schrift nur zum Teil erkennt. Zu ihrem Vorgehen sagt die promovierte Historikerin: „Dies geschah nach bestem Wissen und Gewissen.“ Sie weise zurück, dass Artikel „ignoriert wurden“, da dies implizieren würde, dass sie ihr bekannte Artikel bewusst nicht herangezogen habe.
Es fehlen auch Artikel, die mit einer einfachen Suche nach „Ruß“ auffindbar sind. Fünf Artikel haben die Gutachter:innen in Fußnoten erwähnt, jedoch in der abschließenden Auflistung und Zählung vergessen. Zwei Artikeln ist das falsche Datum zugeordnet. Die Gutachter:innen haben mehrere Artikel übersehen, die direkt neben berücksichtigten Artikeln stehen.

Es ist nicht möglich, heute genau nachzuvollziehen, wie viele Artikel Ruß in ihrer Funktion als NS-Propagandistin geschrieben hat. Sie schrieb unter verschiedenen Kürzeln und ein großer Teil der Artikel in den Zeitungen, für die sie gearbeitet hat, sind ohne Kennzeichnung und können deshalb keiner Person zweifelsfrei zugeordnet werden. Sie hat mit Sicherheit mehr Artikel geschrieben, als unten aufgeführt. Daneben hat sie Artikel redigiert und war als Leiterin des Feuilletons der Oldenburgischen Staatszeitung für alle Artikel in diesem Ressort verantwortlich.
Markierte Artikel fehlen im Gutachten.
Oldenburger Nachrichten
Vom 1. Oktober 1939 bis zum 30. September 1940 hat Ruß ein Volontariat bei den Oldenburger Nachrichten für Stadt und Land absolviert, die sich zum 1. Dezember 1939 in Oldenburger Nachrichten umbenannt haben. Die Gutachter:innen ordnen die Kürzel „E.R.“, „er“, „E. Russ“, „E.M.R.“ und „R“ zu.
Im Gutachten fehlt mit 18 von 36 die Hälfte der Artikel.
Hella
Vom 1. November 1941 bis zum 28. Februar 1943 hat Ruß bei der Modezeitschrift Hella in Berlin gearbeitet. Die Hella konnte nicht überprüft werden, da sie nur in der Deutschen Nationalbibliothek vollständig vorliegt. Für das Gutachten hat eine Mitarbeiterin der Deutschen Nationalbibliothek die Zeitung gesichtet.
Nr. | Datum | Überschrift | gez. |
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1 | Juni 1942 | Andreas Schlüter. Ein genialer Baumeister und Bildhauer | ? |
Schlesische Sonntagspost. Die N. S. Wochenzeitung für Ostdeutschland
Vom 15. März 1943 bis zum 30. Juni 1943 hat Ruß bei der Schlesischen Sonntagspost. Die N. S. Wochenzeitung für Ostdeutschland gearbeitet. In dieser Zeit findet sich tatsächlich nur ein Artikel, der mit ihrem Namen gekennzeichnet ist.
Nr. | Datum | Überschrift | gez. |
---|---|---|---|
1 | 20.06.1943 | Slowakisches Volksstück in Teschen | Edith Maria Russ. |
Oldenburgische Staatszeitung. Amtliches Verkündungsblatt des Reichsstatthalters, der Oldenburgischen Staatsregierung, der NSDAP und DAF
Vom 01.07.1943 bis zum 01.05.1945 hat Ruß das Feuilleton der Oldenburgischen Staatszeitung. Amtliches Verkündungsblatt des Reichsstatthalters, der Oldenburgischen Staatsregierung, der NSDAP und DAF geleitet.
„emr.“
Drei mit „emr.“ gekennzeichnete Artikel schließen die Gutachter:innen aus, obwohl sie selbst befinden: „Es ist eigentlich unwahrscheinlich, dass jemand anderes mit denselben Initialen in der Redaktion tätig war.“ Die Artikel würden thematisch und stilistisch nicht zu Ruß passen.
Ein Vergleich des Artikels vom 09.05.1944, der mit „Edith Maria Ruß“ gezeichnet ist, mit dem Artikel vom 11.05.1944, zeigt eindeutig, dass ihr Name dort durch das Kürzel „e. m. r.“ ersetzt wurde. Dass „emr.“ und „e. m. r.“ verschiedene Personen sind, ist nahezu ausgeschlossen. Die Artikel passen thematisch und stilistisch zu Ruß. Sie wurden deshalb in unten stehender Liste einbezogen.
„E. R.“
Das Kürzel „E. R.“ ordnen die Gutachter:innen für die Oldenburger Nachrichten Ruß zu. In der Oldenburgischen Staatszeitung wird es erstmals verwendet, nachdem Ruß dort ihre Arbeit aufnimmt und der entsprechende Artikel behandelt ein für Ruß typisches Thema. „E. R.“ wird deshalb in die Liste einbezogen.
„er“
In der Oldenburgischen Staatszeitung finden sich weit über 60 Artikel mit Variationen des Kürzels „er“, das die Gutachter:innen Ruß für die Oldenburger Nachrichten eindeutig zuordnen. Sie werden in dem Gutachten nicht erwähnt. In der Oldenburgischen Staatszeitung kann dieses Kürzel nicht pauschal Ruß zugeordnet werden, da es schon verwendet wird, bevor sie dort überhaupt arbeitet. Der Großteil der mit „er“ gezeichneten Artikel ist offen antisemitische Kriegspropaganda im Politik-Teil der Zeitung, und unterscheidet deutlich von Ruß‘ anderen Artikeln. Dennoch hat auch Ruß unter dem Kürzel „er“ geschrieben. Ein Artikel über eine Fotoausstellung in Oldenburg und ein Artikel über „Menschen unseres Alltags“ sind zweifelsfrei ihr zuzuordnen und wurden in die Liste aufgenommen.
Ruß hat bis Einstellung der Zeitung am 03.05.1945 bei der Oldenburgischen Staatszeitung gearbeitet und nach eigenen Angaben im Auftrag von Hauptschriftleiter (Nazi-Sprech für Chefredakteur) Herbert Heitz den kanadischen Truppen die Zeitung übergeben. Es fällt auf, dass bis Einstellung der Zeitung immer weniger Artikel unter Ruß‘ Namen erscheinen, 1945 sind es nur zwei. Dagegen steigt die Verwendung des Kürzels „er“. Dass Ruß in fünf Monaten nur zwei Artikel geschrieben hat ist unwahrscheinlich. Das könnte darauf hindeuten, dass Ruß zuletzt vermehrt unter dem Kürzel „er“ geschrieben hat. Ob und wie viele der restlichen mit „er“ gekennzeichneten Artikel Ruß geschrieben hat, ist nicht mehr zu klären. Sollte Ruß alle der Artikel geschrieben haben, würden im Gutachten weit über die Hälfte fehlen. Da sie aber nicht eindeutig Ruß zuzuordnen sind, werden sie hier nicht aufgelistet.
Im Gutachten fehlt mit 38 von 144 ein Viertel der Artikel, darunter der erste und der letzte.
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